Meirion Jordan
Meirion Jordan ist Lyriker, Herausgeber und Musiker. Er wurde in Cwmllynfell, Südwales, geboren und hat Mathematik am Somerville College, Oxford, studiert. Während seiner Zeit in Oxford erhielt er den Newdigate Prize und sein erster Lyrikband "Moonrise" (Seren 2008), war auf der Shortlist für den Forward Prize for Best First Collection. Sein Pamphlet über Außenseiter und Ausländer in Norwich, "Strangers Hall" (Gatehouse, 2009), war auf der Shortlist für den Jarrold East Anglia Book of the Year Award, und sein jüngster Lyrikband, "Regeneration", ist 2012 bei Seren erschienen.
Meirion Jordan hat bei Veranstaltungen und Festivals im Vereinigten Königreich und im restlichen Europa gelesen, u. a. beim Ledbury Poetry Festival, beim Hay Festival und beim Internationalen Literaturfestival Berlin. Er ist Herausgeber des Literaturmagazins "Lighthouse" (Gatehouse Press), einer gemeinnützigen Einrichtung, die versucht, neuen Autoren aus dem Vereinigten Königreich eine Veröffentlichungsplattform zu bieten. Meirion Jordan tritt auch als Geigenspieler auf, spezialisiert auf traditionelle Britische und Irische Musik.
Als Autor interessieren mich Grenzen, Kanten und Ränder. In meinem Schreiben versuche ich herauszufinden, wie Ränder alles darstellen können, angefangen von Trennung von Vergangenheit und Gegenwart bis hin zu Grenzen zwischen Erinnern und Vergessen, Besitzen und Verlieren. (Meirion Jordan)
DIE EULEN
In Februar begann Mark ein Schnabel zu wachsen.
Nase und Kiefer wuchsen zusammen, verhärteten,
Augenhöhlen erweiterten sich zu zwei Scheiben eines Gesichts.
Irgendwie wurden seine Augen tiefer und sein Kopf lernte
sich in immer größer werdenden Bögen zu drehen:
Er war als erster dran. Dann ist Aled,
den Atem vernebelt angesichts seines blitz-weißen Gefieders
eines Abends im Spiegel,
durchs Badezimmerfenster geflattert
und kam zurück bei Hexenlicht, die Kehle gefüllt mit Wühlmaus.
Zwei Wochen später fand ich Sam und Marie,
die einander das Gefieder putzten, auf meinem Heuboden,
hörte das tiefe Heulen und das Trippeln der scharfen Krallen.
Ich wusste es. Meine Nachbarn verwandelten sich in Eulen.
Zuerst dachte ich mir nichts dabei außer, dass meine Scheunen
jeden Vormittag nach dem Angstschweiß von Mäusen stanken,
ich gewöhnte mich an Gespensterflügel, die an meinen Fenstern vorbeiflatterten,
über dem Wald in der Finsternis schwebende Augen.
Dann zogen sich einzelne Bewohner auf die Dachböden zurück
und meine Straße wurde ein Windstoß aus zugenagelten Türen,
Stürme jagten über die leeren Felder.
Nun sehe ich bei jeder Abenddämmerung, wie sie
durch die Gerippe der alten Dächer emporsteigen und höre,
wie buschige Ohren sich lautlos aufstellen. Im Winter
ragen Häuser fensterlos in den trüben Himmel,
eine Zitadelle für Eulen aus Balken und Stangen.
Und jede Nacht sitze ich beim Licht der letzten Lampe im Haus
und höre das Klicken und Kratzen ihrer Krallen auf den Dachziegeln,
jede Nacht träume ich von Schnee unter einem Riesenmond,
mein Schatten breit und verweht wie Daune.
(© der Übersetzung ins Deutsche: Dr. Renée Von Paschen. Das englische Originalgedicht "The Owls" wurde in "Poetry Wales" veröffentlicht)
Teilnahme an Literatur & Wein: 2016